12. November 2025

Forderung zur Schaffung von produktneutralen Grundlagen für Ökobilanzen

Der VZI hat sich in einem Schreiben an das Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) sowie die zuständigen Abteilungen und Referate gewendet, um die Forderung zur Schaffung von produktneutralen Grundlagen für Ökobilanzen und die diesbezügliche Auseinandersetzung der zuständigen Behörden mit dem Thema zu platzieren.

 

In Österreich fehlt derzeit eine öffentliche, kompatible und qualitätsgesicherte produktneutrale EPS-Datenbank, diese ist aber notwendig, damit Österreich den von der EU definierten Dekarbonisierungspfad in der Planung und damit auch in der Baubranche beschreiten kann.


Mit der Überarbeitung der Energy Performance of Buildings Directive (EPBD) und dem neuen Anhang III, der im kommenden Jahr beschlossen werden soll, wird die Bedeutung der ökologischen Gesamtbilanz von Gebäuden wiederholt und auch gestärkt. Im neuen Entwurf des Annex III wird, obwohl keine Grenzwerte oder Benchmarks direkt festgelegt werden, der Rahmen für die einheitliche, verpflichtende CO₂-Bilanzierung bestätigt. Diese Werte sollen künftig als Grundlage für Vergleichs- oder Mindeststandards dienen. Dies bedeutet, dass jedes neue Gebäude in der EU zukünftig einen Lebenszyklus-GWP-Wert (kg CO₂eq/m² über 50 Jahre) ausweisen muss, der alle Phasen von der Herstellung bis zum Rückbau umfasst. Grundlage sind EPDs nach EN 15804 und die Berechnung nach EN 15978.

 

Der JRC-Report zu den LEVEL(s)-Indikatoren, insbesondere Indikator 1.2 (Global Warming Potential), fordert von Planenden, bereits in frühen Projektphasen belastbare Daten zur Ökobilanzierung vorzulegen.

 

Aus planerischer Sicht ergeben sich daraus jedoch zentrale praktische und methodische Herausforderungen, die dringend adressiert werden müssen und dem Grunde nach 3 Themen betreffen:

  

1. Eine Lösung, um die Forderung nach Produktneutralität erfüllen zu können

Um die Ökobilanz von Anfang an als Entscheidungsgrundlage etablieren zu können, muss ein erster Vorabzug bereits in frühen Entwurfsphasen erstellt werden – also zu einem Zeitpunkt, zu dem produktbezogene Entscheidungen aufgrund der Vorgaben zu produktneutralen Ausschreibungen bei öffentlichen Bauaufgaben noch gar nicht getroffen werden dürfen. Dafür fehlt aktuell eine vollständige, konsistente und produktneutrale EPD-Datenbasis, die den österreichischen Markt und dessen Baupraxis abbildet.

Ohne diese ist eine belastbare – und vergleichbare – GWP-Bewertung im Vorentwurf oder Entwurf nicht möglich. Wenn eine derartige Leistung in frühen Planungsprozess aber doch gefordert wird, sind Planer:innen gezwungen, auf proprietäre oder herstellerspezifische Daten zurückzugreifen. In weiterer Folge könnte das die Neutralität in Ausschreibungen und die Vergabe gefährden und zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

Die Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten ausdrücklich, „die notwendigen Daten, einschließlich generischer Daten und Default-Werte, öffentlich verfügbar zu machen“, um Berechnungen auch ohne projekt- oder produktspezifische EPDs zu ermöglichen.

 

Eine nationale, produktneutrale EPD-Datenbank würde:

 

  • die frühe Lebenszyklusbewertung im Sinne der EU-Vorgabe ermöglichen,
  • die Vergleichbarkeit von Projekten sicherstellen,
  • und die transparente, offene Ausschreibung gemäß BVergG unterstützen.

 

2. Die Erstellung fehlender Modellierungsrichtlinien

Derzeit existieren keine einheitlichen, verbindlichen Richtlinien für die Modellierung von Gebäuden gemäß der LEVEL(s)-Systematik. Viele Planungsbüros entwickeln eigene, voneinander abweichende, Ansätze. Dies führt zu erheblichen Unterschieden bei den Ergebnissen und untergräbt die Vergleichbarkeit von Ökobilanzen.

 

3. Die Definition eines österreichischen Referenzkatalogs

Um Planende von Anfang an in die Lage zu versetzen, vergleichbare, transparente und produktneutrale Ökobilanzen zu erstellen, braucht es einen österreichweiten Referenzkatalog mit generischen EPD-Werten, abgestimmt auf die Anforderungen der LEVEL(s)-Indikatoren.

 

Dieser sollte:

  • auf bestehenden europäischen Datenquellen (z. B. ÖKOBAUDAT, INIES) aufbauen,
  • an österreichische Material- und Baupraxis angepasst sein,
  • regelmäßig gepflegt und von einer neutralen Stelle (z. B. BMK oder OIB) kuratiert werden,
  • kostenfrei und in einem praxistauglichen Datenformat verfügbar sein.

 

Der VZI, freiwillige Interessensvertretung der großen und mittleren Ziviltechniker- und Ingenieurbüros in Österreich, fordert daher, dass zeitnah Fachgespräche zwischen Branchenvertreter:innen und zuständigen Behörden stattfinden.

 

Im Zuge der nationalen Umsetzung der EPBD ist sicherzustellen, dass für Österreich:

 

  • produktneutrale Referenz-EPD-Werteals Grundlage für frühe Planungsentscheidungen bereitgestellt werden,
  • einheitliche Modellierungsrichtlinienfür die Anwendung von LEVEL(s) 1.2 entwickelt werden,
  • und diese Grundlagen in nationale Berechnungsmethoden (z. B. ÖNORM B 1801, ÖNORM EN 15978) integriert werden.

 

Nur auf dieser Basis können Planer:innen Auftraggeber:innen verlässliche, vergleichbare und rechtssichere Entscheidungsgrundlagen zu den ökologischen Auswirkungen ihrer Projekte vorlegen und auch künftig bereits in frühen Leistungsphasen transparente und produktneutrale Planungen sicherstellen.